Praxishygiene

Hygiene­vorgaben Gastronomie und Lebensmittel­bereich
14.10.2016
Universitätsspital Basel führt neue Technik für die Händehygiene ein
24.07.2017
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Praxishygiene

Systematisch betriebenes Hygienemanagement beim Zahnarzt wirkt gegen die Übertragung von Infektionskrankheiten. Worauf ist in der Praxis vor allem zu achten?

Die Einhaltung wirksamer Hygienevorschriften ist zum Schutz des Zahnarztes, des medizinischen Personals sowie zum Schutz der Patienten von zentraler Bedeutung. Im Vordergrund der Hygiene stehen die Reduktion von Infektionen und die Bekämpfung der Ausbreitung von multiresistenten und/oder gefährlichen Erregern.

Multiresistente Staphylococcus aureus (MRSA) sowie weitere schwer therapierbare Keime wie ESBL-Bakterien sind heute nicht mehr nur im Spital, sondern auch in der Praxis sehr häufig geworden, mit steigender Tendenz.

Aufgrund einer konservativen Schätzung sind heute jährlich 80 Tote und Zehntausende von Erkrankungen in der Schweiz auf Antibiotikaresistente Keime zurückzuführen. Diese neuen Entwicklungen erfordern erweiterte Kenntnisse des praktizierenden Zahnarztes nicht nur über die Übertragungswege von resistenten Erregern und neuen, gefährlichen Mikroorganismen sowie die Risiken opportunistischer Infektionen bei immunsupprimierten Patienten, sondern auch über das systematische Hygienemanagement in der Zahnarztpraxis.


Hygieneplan als wichtige Grundlage der Praxishygiene

Praktizierende Zahnärzte müssen heute ebenso wie Spitäler grundsätzliche Hygiene-Massnahmen zur Vermeidung der Übertragung von Infektionskrankheiten treffen. In einem Hygieneplan müssen die innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene konkret festgelegt werden. Da Hygienepläne die baulich-funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten sowie die möglichen infektionshygienischen Risiken berücksichtigen, sind diese individuell zu erstellen.

Im Hygieneplan werden durch den Unternehmer für alle Beschäftigten verbindliche Arbeitsanweisungen vorgegeben. Schulungen der Mitarbeiter zum Thema Hygiene sollen regelmässig durchgeführt und dokumentiert werden. Es ist sinnvoll, jeweils eine Dentalassistentin als Hygieneverantwortliche zu benennen, die mit der Überwachung der festgelegten Kontrollmassnahmen und der Dokumentation beauftragt ist.

Die Basismassnahmen der Infekt-Prävention umfassen neben organisatorischen Massnahmen die Händehygiene, den sorgfältigen Umgang bei der Aufbereitung der medizinischen Produkte und den rigorosen Schutz des Zahnarztes, der DA und der DH. Konsequent durchgeführt, können diese Massnahmen die Verbreitung gefährlicher Erreger stark eindämmen.

Der Erfolg von Hygienemassnahmen basiert in erster Linie auf Fleissarbeit und genauem Befolgen einmal definierter Vorgänge – kritische Punkte müssen erkannt, kontrolliert und vorgefundene Mängel eliminiert werden. Nur so können Verunreinigungen und Infektionen mit gefährlichen Erregern verhindert werden.


Wider die Betriebsblindheit helfen externe Beobachter

Wenn wir davon ausgehen, dass Praxishygiene vor allem mit dem peinlich genauen Befolgen von definierten Massnahmen zu erreichen ist, dann muss der Definition dieser Massnahmen – dem Hygieneplan – entsprechende Aufmerksamkeit zukommen. Dabei bekommt die externe Beratung besondere Bedeutung. Die täglichen Aufgaben in der Zahnarztpraxis gehören zur eingeübten Routine und erfordern wenig Handlungsbedarf.

Die grössten Gefahren sind kaum wahrnehmbare oder bisher nicht beachtete Kontaminationsrisiken. Und diese sieht jemand mit entsprechend geschultem Auge, der von aussen in den Betrieb kommt, meist schneller. Nirgends ist die «Betriebsblindheit» so deutlich wie beim Auffinden von kritischen Hygiene-Stellen. Da geht man jahrelang am Garderobenständer vorbei – aber erst wenn jemand von aussen kommt und darauf hinweist, erkennt man, dass auch die Ständerhalterung, die nur selten geputzt wird, ein Problem sein könnte.


Die häufigsten Hygienemängel in der Zahnarztpraxis


Händedesinfektion/-Reinigung

  • Das Händedesinfektionsmittel ist nicht BAG-gelistet
  • Die Händedesinfektion wird fehlerhaft durchgeführt
  • Es werden Ringe, Armreifen und/oder Uhren getragen
  • Die Einwirkzeit des Händedesinfektionsmittels ist nicht bekannt
  • Es ist nicht bekannt, dass beim Auftreten von Noroviren ein viruswirksames Händedesinfektionsmittel verwendet werden muss


Instrumentendesinfektion/-reinigung

  • Es wird keine Dosierhilfe verwendet (Schussmethode)


Mindestvoraussetzungen zur Vorbereitung der Validierung nicht erfüllt

  • Es besteht keine Dokumentation der Sterilisation inkl. Freigabe


Mängel bei der Flächendesinfektion

  • Utensilien im Wartezimmer (z. B. Stofftiere) werden nicht regelmässig desinfiziert


Mängel beim Umgang mit Medikamenten

  • Mehrfachentnahme aus Lösungen ohne Konservierungsstoffe (z. B. NaCl)


Verschiedenes

  • Dienstkleidung wird nicht getrennt von der Privatkleidung aufbewahrt



Massgeschneidertes Management der Hygienerisiken

Sind die Hygienerisiken einmal bekannt, gilt es geeignete Massnahmen zu treffen, damit diese entschärft werden können. Zum einen sind dies Massnahmen wie zum Beispiel das Entfernen einer Zimmerpflanze aus einem Behandlungsraum oder das Ersetzen der alten Stoffvorhänge durch einen hygienischeren Blickschutz.

Es geht nicht nur um kritische Flächen und Schnittstellen, wo reine und unreine Materialien in Kontakt kommen, sondern auch um Prozesse und Situationen. Zum Beispiel der Arbeitsbeginn: Müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil in Strassenkleidern oder Schuhen arbeiten, ist das grundsätzlich ein Problem. Spezifischer wird es bei der Überwachung von Sterilisatoren und bei der Raumzuteilung für fachspezifische Arbeiten (Sterilgutlagerung, Kühlschrank für persönliche Esswaren, Abfallentsorgung usw.). Das bedingt viel Know-how, das nicht einfach so vorausgesetzt werden darf und das zu erarbeiten teuer, aufwendig und nicht zuletzt auch unsicherer ist als wenn fachkundige Empfehlungen bei externen Experten eingeholt werden.

Externe Hygieneberater sind die Thematik und Problematik schon für viele andere, ähnliche Betriebe angegangen, haben sie begutachtet und gelöst. Damit können sie auf das entsprechende, spezifische Know-how zurückgreifen und verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz. Dieser befähigt sie, individuelle massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, ohne dabei für jeden Betrieb das Rad neu erfinden zu müssen.

Ähnliches gilt für den Bereich Patientenempfang. Auch hier kommt viel Erfahrung und Fachwissen zum Tragen, das nicht einfach vorausgesetzt werden darf. Wo werden die Patienten empfangen, wer ist dafür zuständig, was können die Patienten alles berühren, bevor sie im Behandlungszimmer sind? Sind sie vielleicht in Begleitung von Kindern, wie ist mit diesen zu verfahren? Begrüssen wir unsere Kunden mit Handschlag; können wir von den Patienten erwarten, dass sie sich die Hände waschen und desinfizieren, bevor sie ins Wartezimmer gehen? Das Gleiche gilt für alle andern Besucher wie Lieferanten oder Servicepersonal sowie für den eigenen Reinigungsdienst.


Händehygiene: Technischer Fortschritt

Besondere Bedeutung kommt der Händehygiene zu. Abgesehen von der richtigen Durchführung muss auch die Infrastruktur stimmen. Angefangen bei der Verfügbarkeit von geeigneten Handwaschstellen bis hin zu neuen Technologien, die eine komfortablere Händehygiene erlauben und gleichzeitig hygienischer und sparsamer sind als die gute alte Mischbatterie mit verschiedenen Seifen- und Desinfektionsspendern.

Ein aktuelles Beispiel für die positive technische Entwicklung in diesem Bereich ist die berührungsfreie Mischbatterie. Mit wartungsfreien Hightech-Sensoren erleichtert und professionalisiert diese Armatur die Händehygiene in Praxen. Mit einfachen Gesten können sämtliche Funktionen einer normalen Mischbatterie und gleichzeitig der Seifen- und Desinfektionsmittelspender gesteuert werden.


Auch die Raumpflegerin…

Mit dem Einbau einer berührungsfreien Mischbatterie ist es allerdings nicht getan. Auch mit einer fortschrittlichen Lösung muss die Händedesinfektion richtig durchgeführt werden. Wie das geht, hat man wahrscheinlich einmal gelernt und seither immer so gemacht. Aber in vielen Fällen haben sich im Alltag Fehler eingeschlichen.

Die Fingerkuppen zum Beispiel werden oft schlecht oder gar nicht mit Desinfektionslösung behandelt. Eigentlich sehen ja alle ein, dass es besser wäre, dies richtig zu machen. Doch oft nützt die reine Wissensvermittlung wenig. Bei vielen Massnahmen ist es wie beim Angurten im Auto. Die Hand muss den Gurt greifen, noch bevor man denkt, dass man sich anschnallen sollte.

Damit alle kritischen Vorgänge hygienisch korrekt gemacht werden, braucht es in erster Linie eine konkrete Vorgabe, wie sie richtig durchgeführt würden. Risiken müssen bewusst gemacht werden. Und noch viel wichtiger ist, dass alle das korrekte Verhalten kennen und können. Die Regeln müssen für alle gelten, auch für die Raumpflegerin, die als Aushilfe für ihre kranke Kollegin nach Feierabend den Boden putzt.


Selbsttests dokumentieren den Hygieneplan

Die zweite Grundlage erfolgreicher Hygienemassnahmen in der Praxis ist die Selbstkontrolle. Dass kritische Verunreinigungen mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar sind, ist allen Beteiligten bekannt. Und doch verleitet eine spiegelblanke Chromstahloberfläche dazu anzunehmen, hier sei alles in Ordnung. Vielleicht nicht gerade steril, aber weitgehend unbelastet von Keimen. Und dabei weiss der Kopf genau, dass das nicht stimmen muss.

Hier hilft nur ein Test, der besser ist als unsere menschlichen Sinne. In der Praxis sind Abklatschtests, zum Beispiel Hygicult-Tests, eine sinnvolle Selbstkontrolle. Nach festgelegten Zyklen werden an genau definierten Stellen Abklatschtests genommen und die verschlossenen Proben in der Praxis selbst in einem kleinen Wärmeschrank bebrütet (wie z.B. Uricult). Am nächsten Tag ist das Ergebnis sichtbar.

Dabei dient der Test nicht nur der Überprüfung des untersuchten Instruments oder der getesteten Fläche, sondern auch der Sicherstellung, dass der Hygieneplan eingehalten wird – von allen, jederzeit. Denn wenn dies nicht der Fall ist, kommt es früher oder später zu einer Verunreinigung, die mit dem Test festgestellt wird.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Verunreinigung pathogen ist oder nicht. Allein das Vorhandensein einer Verunreinigung an einer Stelle, wo keine solche auftreten dürfte, ist Zeichen genug, dass etwas falsch gelaufen ist. So können Einhaltung und Qualität des Hygieneplans sicher und nachweisbar überprüft werden.

Zusammen mit der periodischen Überprüfung durch eine externe Stelle kann die Hygiene in der Praxis wesentlich sicherer und verlässlicher werden. Damit könnte auch einem Patienten oder gegebenenfalls einem Richter gegenüber belegt werden, dass sinnvolle Hygienemassnahmen eingeführt und eingehalten wurden. Diese besondere Dokumentation wird in der Zukunft auch in der Schweiz vermehrt an Bedeutung gewinnen.


Fortbildung zur Einsicht

Auch bei der Selbstkontrolle geht es um eine möglichst lückenlose Definition und Anwendung von verhältnismässigen und effizienten Massnahmen, die weder täglich neu definiert, noch von Fall zu Fall verändert werden müssen. Dazu kommen regelmässige Weiterbildungen, die aber nicht zum Ziel haben sollten, auch das Reinigungspersonal zu Mikrobiologen auszubilden. Denn hier geht es primär und immer wieder darum, das Verständnis für das strikte Einhalten der Regeln im Hygiene- und Putzplan zu wecken.


Audits sind die günstigere Alternative

Hygiene in der Praxis ist in erster Linie eine Frage der Planung, in zweiter Linie eine Frage der Disziplin und in dritter Linie eine Frage der Sensibilisierung und Solidarität. Für die Einführung solcher Massnahmen ist in der Zahnarztpraxis oft niemand ausreichend ausgebildet, niemand verfügt über das nötige Know-how. Natürlich könnte dieses Wissen intern aufgebaut werden, doch der Aufwand wäre erheblich. Deshalb ist es wirtschaftlich sinnvoll, im Bereich Hygiene externe Beratung einzubeziehen und sich als Zeichen des Qualitätsbewusstseins gegenüber Angestellten und Kunden extern zertifizieren zu lassen.

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